Grand Guitars 2012Michael Spalt

„The feast of the 29 Buddhas“

 

Michael Spalts Kreationen bekamen bereits des Öfteren

unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung. Seit

ich den Gitarrenbauer im Januar 2009 in seiner Werkstatt

in Los Angeles besuchte, hat sich einiges verändert,

die Unverwechselbarkeit ist allerdings geblieben.

Von Leonardt Breuken

 

 

Im Jahr 2010 zog Michael Spalt mit Familie und Werkstatt in seine alte Heimat Wien um, sicherlich auch eine Weltstadt, wenn auch mit einem komplett anderen Flair als L.A.. Der Handwerker mit dem immensen Background eines Malerei-, Film- und Fotografie-Studiums in San Francisco und Wien, eines Werdegangs in Los Angeles als Regisseur, Kameramann und Drehbuchautor und der jahrzehntelangen Erfahrung als Reparateur und Hersteller von Musikinstrumenten gründete hier in Zusammenarbeit mit dem Gitarrenbauer Andreas Neubauer die „Vienna Guitar Co.“. In dieser Kooperation sollen Instrumente entstehen, welche die Tradition der lokalen Handwerkskunst mit modernster Technik vereinen. Daneben fertigt Herr Spalt weiterhin seine eigenen Serien wie Totem/Resintop, Noveau, s&s, Viper und andere. Eine Tatsache, die mich persönlich sehr beeindruckt, ist, dass Michael Spalt in der Lage ist, sowohl eine authentische Telecaster als auch ein in Harz gegossenes Kunstwerk und ebenso einen komplett abgefahrenen Bass aus Holz und Aluminium in der Anmutung eines Raumschiffes zu bauen. In seinem Kopf gibt es keine Grenzen darüber, was man bauen kann und was nicht, außer vielleicht ästhetische. Mit der vorliegenden Les Paul Junior-artigen Gitarre bekommen wir ein Stück aus dem Spaltschen Kosmos, das sowohl in der Vintage-Gitarrentradition als auch in der Kunst fußt.

 

Siddhartha im Prater

Nüchtern betrachtet haben wir hier eine relativ normale Mahagonigitarre mit eingeleimtem Hals im Stil einer fünfziger Jahre Les Paul Junior. Die Spalt unterscheidet sich hiervon allerdings bereits durch ein Ebenholzgriffbrett mit Jumbo-Bünden, nur jeweils einem Volumen- und Tonregler sowie einer makellosen Verarbeitung. Als ein derart schlichtes Arbeitsbrett will ich sie zunächst auch einmal betrachten und den künstlerischen Aspekt komplett außen vor lassen. Viel zu überlegen gibt es da nicht, zwei P90-artige Aggregate, zwei Potis und ein Dreiwegschalter, das verstehe selbst ich, und so kann man sich sofort ins akustische Getümmel stürzen. Die Gitarre liegt massig im Arm und auf ihrem kräftigen D-förmigen Hals komme ich sofort gut zurecht. Die Ansprache ist direkt, das Schwingungsverhalten profund und der Klangcharakter im drahtigen Bereich. Am Mesa Transatlantic 30, der im Clean Modus ebenfalls sehr direkt kommt, kann man mithilfe des Wiener Buddhas vor allem in der Mittelstellung und mit angezogener Handbremse, sprich etwas zurückgenommenem Volumen, sehr Tele-artige Sounds erzeugen. Von dieser Einstellung weg kommt man, auch mithilfe des sehr gut dosierten Tonreglers, in deutlich wärmere Gefilde. Bei angezerrter Gangart ist so eine Gitarre natürlich vollkommen zu Hause und es ist ein echtes Vergnügen, sich durch die Blues- und frühe Rockliteratur zu spielen. Wenn man das Signal in Richtung moderner und härter verändert, belohnt einen die Spalt mit einer sehr dezidierten Klarheit und Trennschärfe. Vor allem im Riff-Bereich ist das von Vorteil. Durch die einspulige Bauweise der Tonabnehmer bleibt natürlich ein leichtes Brummen nicht aus, das allerdings je nach Stellung zum Amp nicht wirklich gravierend ist.

 

Nirvana an der Wien

Ein weiterer Pluspunkt von Spalt sind auch die Bonetop Pickups. Diese entstehen in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Hersteller Lindy Fralin auf der Basis von dessen P-90, SP-43 oder SP-42 Single Coils. Optisches Ausrufezeichen ist, wie der Name schon sagt, die Oberfläche aus gefärbtem Knochen. So sehen die Tonabnehmer nicht allerweltsmäßig aus und klanglich spielen sie ebenso in der Oberliga. Definition ist eine ihrer Stärken – wie auch des gesamten Instruments. Einen wesentlichen Teil hierzu trägt auch die Decke aus Resin, einem speziell entwickelten Kunstharzgemisch, bei. Michael Spalt hat lange damit experimentiert und die für ihn perfekte Mischung gefunden. Die erste Gitarre, die damit gefertigt wurde, befindet sich noch immer in seinem Besitz und zeigt keinerlei Ablösungserscheinung vom Holz des Korpus oder Trübungen im Material. Das Geheimnis liegt darin, dass diese Mischung nie hundertprozentig aushärtet und so quasi nicht völlig statisch ist. Der Ton des Instruments wird durch das Resin etwa so beeinflusst wie durch eine harte Ahorndecke. Dadurch erhält die „Buddha“ ein breiteres Resonanzspektrum, als es eine LP Junior üblicherweise besitzt.

 

Und nun der Blick auf das hervorstechende Merkmal, die Decke. Mein Gott … äh … mein Buddha ist die geil! Das Holz des Korpus wurde mit einer Goldschicht überzogen und darauf tummeln sich 29 fein angeordnete Buddha- Style-Pommesgabeln. Selbst meine Tochter, die sich für Vaters ständig wechselnde Gitarrenbeziehungen relativ wenig interessiert, hat viel Zeit vor der Spalt verbracht und mich schließlich mit der bahnbrechenden Nachricht, dass da 29 Gabeln und 49 Totenköpfe drauf sind, konfrontiert. Daneben gibt es noch etwas Abalone und eine wunderschöne Verzierung um den Toggle Switch. Wie bei einer extrem gemaserten Decke oder einem wunderbaren Bild muss man diese Kreation einfach ständig anschauen, was zugegebenermaßen beim Spielen etwas schwierig ist. Daher kommt vielleicht auch die Ablehnung mancher arbeitenden Musiker sehr ausgefallenen Gitarren gegenüber. Aber ist das ein Widerspruch: perfektes Instrument, Arbeitsgerät und Kunstwerk? Ich glaube nicht, denn durch den dekorativen Mehrwert werden die Funktion und vor allem der Ton in keiner Weise geschmälert oder beeinträchtigt. Wenn man bedenkt, welchen Kultstatus die Instrumente von Herrn Zemaitis schon früh erlangten, wundere ich mich, warum sich die Herren Beck, Richards und Kollegen noch kein Pferd aus dem Hause Spalt angeschafft haben.

 

Reinkarnation beim Heurigen

Ob an der Westküste der Vereinigten Staaten oder in der österreichischen Hauptstadt – Michael Spalt ist einer der Menschen, die der modernen E-Gitarre eine neue Richtung gezeigt haben. Seine Kreationen sind einzigartig, geschmackvoll und, zumindest aus meiner Sicht, Kunst. Dabei verlieren sie nie die Funktion aus dem Auge und bereichern den Kern der Sache, das Musizieren, in hervorragender Weise. Natürlich ist jede dieser Gitarren immer ein Einzelstück, das nicht reproduziert werden kann und soll. So darf man gespannt bleiben, welche Schönheiten uns noch aus der Wiener Werkstatt beschert werden.

 

Details:

Hersteller: Michael Spalt

Modell: The Feast of the 29 Buddhas

Herkunftsland: Österreich

Gitarrentyp: Solidbody

Korpus: Honduras Mahagoni

Decke: Resin / Kunstharz

Hals: Honduras Mahagoni

Halsprofil: kräftiges D

Halsbefestigung: eingeleimt

Griffbrett: Ebenholz

Griffbretteinlagen: Punkte aus

gefärbtem Knochen

Bünde: 22 Jumbo

Mensur: 648 mm

Halsbreite Sattel: 43 mm

Regler: Mastervolumen, Masterton

Pickup-Schalter: Dreiweg Toggle

Pickup: Spalt Bonetop P-90 /

Lindy Fralin

Sattel: Knochen

Steg: Alu Tune-o-matic, Stoptailpiece

Mechaniken: Kluson Vintage

Gewicht: 4 kg

Listenpreis: 4.200 Euro

Getestet mit: Marshall JCM 210H,

Mesa Boogie TA 30